Wir betreten in Gedanken einen Raum, etwa so gross wie eine Zweizimmer Wohnung und erkennen zahlreiche Bildschirme, vor denen zwei uniformierte Männer sitzen. Diese halten ihre Augen auf die Monitore gerichtet und unterhalten sich wenig. Ihre Kopfhörer liegen neben den Tastaturen. Aus einem kleinen Radio ertönt leise Jazz.
JALOB

Jakob lässt seinen Blick konzentriert von einem Monitor zum anderen wandern. Sein Vorgesetzter sitzt auf einem bequemen Sessel neben ihm und schweigt. Noch zwei Stunden, dann würde ihre Schicht zu Ende sein und sie konnten den Nachmittag mit ihren Familien verbringen. Zuvor würde er seine Lieblingssuppe vorgesetzt bekommen. Das hat ihm Juna am Abend zuvor versprochen. Er freut sich darauf.
REZEPT

Die Kochanleitung hat seine Gattin von einer Kochsendung: Broccoli mit Gemüsebouillon dämpfen, Blauschimmelkäse dazu und zusammen heiss werden lassen. Alles in ihren Mixer schütten und pürieren. Sobald ihre beiden Kinder und Jakob zuhause sein würden, aufwärmen und mit Sahne, etwas Fenchel und Pfeffer abschmecken. Seit sie Kinder aufziehen, wird sie von Jakob Mutti genannt. Das mag sie nicht, sie ist eine emanzipierte Frau.
ELTERNABEND
Am Nachmittag würde er sich auf den Elternabend vorbereiten. „Was arbeiten Vater und Mutter?“, steht auf der Einladung. Wie soll er den anwesenden Schülern über seine Arbeit berichten? Sie ist
streng geheim. Er kratzt sich am Kinn und seufzt.
Jakob und sein Chef bilden ein vertrauenswürdiges Team. Beide haben die verantwortungsvolle Aufgabe, in einem Ernstfall unmittelbar richtig zu entscheiden und schnell zu handeln. Dies ist
anspruchsvoll, da beide Offiziere inständig hoffen, dies würde nie geschehen. Jakob sagt seinem Vorgesetzten, dass er sich auf die Suppe freue. Dieser lächelt. Er erhebt sich und geht zur
Toilette.
ERNSTFALL
In diesem Moment erfolgt der Alarm. Ein schriller Ton erschallt im ganzen Raum. Gleichzeitig blinken mehrere Lichtquellen auf den Bildschirmen und von der Diele, alle Zugangstüren werden doppelt
verschlossen und eine grelle Beleuchtung wird eingestellt.
Jakob blickt auf den Bildschirm eins, dann wirft er einen Kontrollblick auf Monitor zwei. Er hält den Atem an, bückt sich zum Scanner und identifiziert sich mit seiner linken Iris. Gleichzeitig
tippt er mehrere Codes auf seine Tastatur. Dadurch löst er den Start von fünf Abfangraketen aus Deutschland aus sowie drei Flugkörper, bestückt mit nuklearen Sprengsätzen. Auf dem dritten
Bildschirm verfolgt er deren Flug in Richtung Osten.
KALTE SUPPE

Die beiden Kinder kommen gegen Mittag nach Hause. Zuerst waschen sie sich die Hände, dann setzen sie sich in die Stube vor den Fernseher und warten auf ihren Vater. Juna betritt den Raum und
schielt auf die Nachrichten. Diese berichten über drei aussergewöhnlich heftige Explosionen in Tschalinburg an der Wolga.
Die Suppe wird kalt und Jakob kommt nicht nach Hause.
Nie mehr.
Im nächsten Post mit dem Titel "Jakob" erfährst du, welches Verbrechen Jakob begangen hat, weshalb er nie mehr nach Hause gehen wird und wohin er flüchtet.